„Khun Klaus” als Lehrer

Rund drei Kilometer entfernt von unserem Haus liegt Wat Na Ran, eine Klosteranlage, an der ich bei meinen Radtouren gerne anhalte, weil es fast immer Neues zu entdecken gibt. So auch heute.

8BUS_Wat_vhZur Zeit recherchiere ich gerade für einen neuen Bericht über das Omnibus(un)wesen auf Phuket und in diesem Klosterhof stehen täglich bis zu 10 Busse, vollbeladen mit gläubigen Chinesentouristen, die hier ihre Opfer darbringen – im 30-Minuten-Takt. Während die Businsassen beim Gebet sind, sitzen die Fahrer ihrem Bus, natürlich alle Motoren auf volle Pulle, damit die Klimaanlagen funktionieren.

8NOVIZ_01lernenNachdem ich wieder ein paar interessante Fotos gemacht hatte, entdeckte ich in einem weiter entfernten Winkel alte Grabsteine. Zu vielen Klöstern gehört ein Krematorium und oft auch ein Friedhof mit den typischen Grabsteinen für die Urnen. Der Friedhof war nur von weitem interessant aber von da aus sah ich in einem weiteren Gebäude eine Schule für junge Novizen.

8701_SchuleDie kleinen Mönche hatte ich vor einem Jahr schon einmal gesehen, als sie in einem Zelt im vorderen Tempelbereich Unterricht in Englisch hatten.

8NOVIZ_02LernenIch fuhr näher ran und machte ein Foto. Da kam auch schon eine der beiden Lehrerinnen – es war diejenige, die ich beim Englischunterricht vor einem Jahr schon fotografiert hatte – und fragte wo ich her komme. Aus Deutschland, wie schön, da war sie auch schon – in Stuttgart und im Schwarzwald. Dort besuchte sie einen ganz berühmten Professor und seine Frau und sie war etwas enttäuscht, dass ich mit dem Namen nichts anfangen konnte. Ich sagte ihr, dass ich auch aus dem Schwarzwald komme und da war der bann gebrochen. Sie fragte mich, ob ich nicht bereit wäre, für eine Unterrichtsstunde mit den jungen Novizen. Heute z. B. ging es gerade um Deutschland. Auf dem Stundenplan standen Song – Breakfast – Temple. Jetzt waren sie gerade beim zweiten Thema, dem Essen.

8NOVIZ_05PräsentationNatürlich nahm ich mir da die Zeit, so etwas erlebt man nicht jeden Tag. Also Schuhe ausziehen und einen tiefen thailändischen Gruß an die beiden Lehrerinnen und die kleinen Mönche. An der großen White Board Tafel stand ganz oben Breakfast (Frühstück), darunter 4 Rubriken mit Food – Snack – Drink  – Frui. Die Jungs saßen oder lagen auf dem Boden und lernten eifrig.

8NOVIZ_08 BlattSie hatten ein Blatt vor sich mit dem Titel „Breakfast Time”, darunter standen alphabetisch 25 Begriffe zu dem Thema von Bacon bis Water und darunter ein Buchstabengewirr 13 x 13 Felder groß. In diesen 169 Buchstaben waren die 25 Begriffe versteckt: senkrecht, waagrecht, diagonal – jeweils vor- oder rückwärts geschrieben. Ich kenne das gut aus Rätselheften.

8NOVIZ_07TafelMalenIch schaute mir die Tafel an und schlug der Lehrerin vor, dass ich zuerst ein paar Illustrationen machen werde. Bei meinem Beruf ja kein Problem.

8NOVIZ_07TafelnahAls ich fertig war, erhielt ich ein Mikrofon, das zweite hatte die Lehrerin. Sie fragte mich, ob die Kinder mir zunächst drei Fragen in englisch stellen dürfen. Na klar, dafür war ich ja da. Aber die Jungs getrauten sich nicht so recht in der für sie fremden Sprache. Also wurde umgestellt auf Thai, was ich nicht verstand übersetzte sie. Da ich zur Begrüßung ein paar höfliche Worte in thailändisch sagte, dachten sie schon, ich könne alles verstehen. Die Fragen waren schnell beantwortet: Wie heißt Du? Woher kommst Du? Wie alt bist Du? Gefällt Dir Phuket? Das schaffte ich noch alles in Thai. Als ich erzählte – jetzt in englisch – weshalb ich hier in Phuket wohne, wurden die Augen immer größer.

8NOVIZ_03PräsentationDann sollten die Kinder die Zeichnungen erraten und es ergaben sich viele interessante Fragen. Esst ihr zum Frühstück Hamburger? Warum heißen Pommes frites French fries? Esst ihr keinen Reis? Wie wird Käse gemacht? Was ist Weichkäse (cream cheese stand auch auf dem Blatt)? Beim Thema Früchte erzählte mir die Lehrerin, dass ich eine Frucht vergessen habe: die Feige. Die Frau Professor im Schwarzwald hat so herrliche Marmelade daraus gemacht! Das erinnerte mich daran, dass ich an unserem Feigenbaum in Ettenheim 2011 vierzehn Kilo erntete und daraus Marmelade und Feige in Whisky, in Weiswein usw. herstellte, natürlich mit schönen eigenen Etiketten.

8NOVIZ_09AppelIch erklärte, dass der Apfel bei uns in Deutschland die Hauptfrucht ist. Da rief die Lehrerin zwei Schüler nach vorne. In der Klasse gab es kleine Gruppen, eine davon nannte sich Apple. Die beiden Apple bekamen die Mikrofone und sangen dann: Apple, apple, apple …

8NOVIZ_12PräsentationJetzt war ich dran, ich musste  ein deutsches Lied singen. Da merkte ich, dass es gar nicht so einfach ist, spontan ein passendes Lied vorzutragen. Ich entschied mich für „Muss I denn, muss i denn zum Städtele hinaus” – da konnte ich sogar mal wieder ein wenig Dialekt einfließen lassen. Und der große, hier bestens bekannte Elvis Presley, hat den Song ja auch gesungen.

Damit war die offizielle Stunde beendet, Die jungen Mönche bedankten sich mit einem Gruß, den nur Mönche verwenden dürfen und den ich bis jetzt noch nicht kannte.

8NOVIZ_12Gruppe2Als ich bat, noch ein Gruppenfoto zu machen, musste ich mich als erstes hinsetzen. Dann stürmten alle auf mich ein, jeder wollte mich berühren – vorne, hinten, unten, oben, links und recht war ich umgeben von orangen Roben. Mein rotes Radlershirt hat sich der Farbe sogar etwas angepasst. Die Lehrerin wies mich darauf hin, dass ich mein rechtes Knie nach unten nehmen muss, es darf nicht über die Mönche rausragen. Erst als ich ihr erklärte, dass ich Rückenprobleme habe, durfte ich so bleiben. Wenn hier Fotos gemacht werden, wird immer bis 3 gezählt, damit alle schön lächeln. So auch jetzt: Nüng, song, sahm – zum ersten. Nach 3 Fotos wollten mir alle beim Aufstehen helfen – sie hatten meine Rückenschmerzen mitbekommen.

8NOVIZ_14AbschreibenDann wurde ich noch gefragt, ob ich bei Facebook bin – bin gespannt, ob und wieviele Anfragen kommen. Ich schrieb noch meine Internet-Adresse an die Tafel und versprach, die Fotos noch heute hochzuladen.

8NOVIZ_11FreundeDie Hauptmotivation für die Novizen ist, eine grundlegende schulische und religiöse Ausbildung zu erhalten. Nach einem zumeist vierjährigen Dienst als Dek wat  („Tempelkind“) wird ein angehender Mönch zum Novizen ordiniert. Sie leben wie die Mönche nach den Buddhistischen Ordensregeln, werden aber nicht zur Befolgung aller Ordensregel verpflichtet. Mit 20 Jahren haben sich die Novizen für die höhere Weihe qualifiziert und müssen sich entscheiden, ob sie im Kloster bleiben oder einen weltlichen Beruf annehmen.

8NOVIZ_13SchlafenBis dahin haben die Jungs hier noch einige Zeit, in der sie zusammen leben und lernen. Entlang der Seitenfront des Tempelgebäudes sind die erhöhten Schlafplätze. Unter jedem Schlafplatz ein kleiner Stauraum für Privates, darüber bunte Darstellungen aus dem Leben Buddhas.

8NOVIZ_14SchlafenIch schwang mich auf mein Rad – um ein intensives und großartiges Erlebnis reicher.

 

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