Die Welt der Geister in Thailand ist traditionell vielschichtig und allgegenwärtig. Es gibt gute und böse Geister – erstere werden mit Respekt behandelt, die anderen so gefürchtet, dass man am liebsten nicht darüber spricht.
Der Erdgeist Phra Phum spielt eine der wichtigsten Rollen im Leben der Thais. Wird ein Haus auf einem Grundstück gebaut, wird dadurch der Erdgeist vertrieben. Damit er auf die Bauherren nicht böse ist, bauen diese für ihn ein neues Haus, ein Geisterhaus (San Phra Phum). Wie vielfältig diese Häuschen sind, zeigt eindrucksvoll diese Bildergallerie.
Aber die Aufstellung dient auch dazu, mögliche andere Geister zu besänftigen, die auf dem Grundstück wohnten und evtl. verdrängt wurden.
Das Errichten eines Geisterhauses ist eine alte brahmanische Tradition, die wahrscheinlich aus Indien stammt und es müssen viele Regeln beachtet werden, die seit Generationen eingehalten werden, damit der Geist auch in sein neues Haus einzieht.
Die buddhistischen Mönche tolerieren diese Tradition und führen auch an Stelle von Brahmanenpriestern die astronomische Berechnung des Aufstellungsdatums und die eigentliche Zeremonie durch. Diese kann einige Zeit dauern und beginnt in den frühen Morgenstunden, damit sie auch vor 11.00 Uhr beendet ist und Phra Phum das erste Mittagsessen erhält, damit er nicht verstimmt wird.
Das Geisterhäuschen ruht auf einer Säule in Augenhöhe, hoch genug um Respekt auszudrücken, aber auch niedrig genug, um die Opfergaben überreichen zu können. Eine niedrigere Bauweise wäre respektlos und könnte die Geister erzürnen. Das Geisterhaus darf nicht im Schatten des Hauptgebäudes stehen und der Schatten des Geisterhauses darf nicht das Hauptgebäude treffen, weil die Menschenwelt und die Geisterwelt ganz verschiedene Welten sind. Ein Geisterhaus darf niemals gegenüber dem Eingang stehen und es sollte nur östlich, nordöstlich oder südlich des Hauses stehen. Damit der Phra Phum einen eindringenden Feind schnell erkennen kann, sollte das Geisterhäuschen an einem Zaun, Mauer oder einer anderen Haus- oder Grundstückbegrenzung liegen. Ein Schrein der nicht ordnungsgemäß aufgestellt wird, bietet keinen vollwertigen Schutz!
Das Geisterhaus soll für den Geist so bequem und schön sein, dass er gar nicht mehr weg möchte und sich wohl fühlt. Der Innenraum eines Geisterhäuschen wird als der Bereich betrachtet, in dem Phra Phum wohnt. Er wird mit kleinen Figuren geschmückt, die nach festgelegter Reihenfolge und Platzierung aufgestellt werden. Tänzer und Tiere soegen für die Unterhaltung der Phra Phum und bunte Bänder und Lotuskränze schmücken das Häuschen ebenfalls. Um sicher zu sein, dass der Geist sein Haus nicht wieder verlässt, muss es attraktiver gestaltet sein als das Hauptgebäude.
Vor dem Geisterhaus oder auf einem extra daneben stehenden zweiten Schrein werden regelmäßig Opfergaben deponiert. Die Bewohner des Geisterhäuschens erhalten immer Wasser oder Erfrischungsgetränke in Flaschen und Dosen, zu besonderen Anlässen auch Alkohol und spätestens alle zwei Wochen Obst, Reis, Süßigkeiten oder ähnliche Gaben. So ist man sich gewiss, das er Grundstück, Haus und Familie beschützt.
Bei Problemen, die das Haus und seine Angehörige betreffen, kann man den Hausgeist um Hilfe bitten, indem man Kerzen und Rauchstäbchen entzündet, betend sein Anliegen vorbringt und dem Geist eine besonders schöne Opfergabe verspricht, z.B. ein Huhn, eine Ente, Früchte wie Ananas und Kokosnuss oder weitere Bedienstete in Form von kleinen Figuren. Ist das Problem abgewendet, gelöst oder gemildert, bekommt der Geist das versprochene Opfer. Wird aber das Versprochene nicht eingelöst, bringt dies Unglück oder böse Alpträume.
An buddhistischen Feiertagen ehrt man auch den Phra Phum miteinem speziellen Ritual. Am frühen Morgen werden frische Speisen für den Phra Phum zubereitet. Dann werden zwei Tabletts gebraucht. Auf einem Tablett die Schälchen mit dem zubereiteten Essen, ein Schälchen mit Süßigkeiten oder etwas Obst. Dazu kommt ein Glas Wasser oder ein anderes Getränk. Auf dem zweiten Tablett liegen zwei Kerzen, Rauchstäbchen und frisch duftende Blumengirlanden aus Jasminblüten. Da jeder wohltätige Geist, wie die Mönche, nicht nach Mittag ist, muss der Phra Phum vor 11:00 Uhr Speisen und Getränke bekommen. Nach einem respektvollen Gruß mit einem hohen Wai werden die alten ausgetrockneten Blumengirlanden durch die frischen, wohlriechenden ersetzt. Die kleinen Schälchen mit dem Essen, das Glas Wasser oder Getränk werden vor dem Geisterhaus abgestellt. Zum Schluss entzündet man Kerzen und Rauchstäbchen, steckt sie in mit Reiskörner gefüllte kleine Vasen und bedankt man sich mit einem tiefen respektvollen Wai. So kann man hoffen, das der Phra Phum weiterhin für Sicherheit, Glück und Wohlstand des ganzen Hauses sorgt.
Wird ein Geisterhäuschen vernachlässigt oder sein Zustand gleicht dem einer Ruine, wird der Phra Phum dafür sorgen, dass das dazu gehörende Haus in den selben Zustand gerät – so sagt es der Volksglaube. Und wenn der Hausgeist sein Häuschen verlässt, weil er sich nicht mehr wohl fühlt, kann dies für die gleichgültigen Hausbesitzer großes Unglück bedeuten. Eine Beschädigung am Haus muss durch eine rituelle Reperatur des Geisterhäuschen behoben werden und man erhofft sich, dass der Geist verzeiht und sein repariertes oder neues Häuschen akzeptiert. Wenn man nicht weiter weiß wird dann auch ein Mo Phi, ein Geister-Doktor, zu Rate gezogen.
Obwohl ich mich täglich mit Thailand und seinen Bräuchen, Ritualen und dem Buddhismus auseinandersetze, bleibt mir im religiösen Alltag noch vieles unverständlich. Der Geisterglaube der Thailänder stößt bei vielen Farangs wie mir auf Unverständnis und Kopfschütteln, wird abgetan als Aberglaube oder Scharlatanerie. Aber wie oft wird bei uns der Schutzengel für nicht geschehenes Unglück verantwortlich gemacht. Für fast jede Angelegenheit gibt es den entsprechenden Schutzpatron. Und wenn was schief geht, hat der Teufel die Finger im Spiel gehabt und viel unerklärliches wird Gott zugeordnet. Wenn man genau hinschaut, ist Geisterglauben auch in der westlichen Kultur zu finden.
Aber zurück zu den Geisterhäuschen, die man ja auch irgendwo erstehen muss. In dieser Geisterhäuschen-Handlung findet man sie in jeder Größe und jeder Farbe. Denn auch die Farben sind wichtig, weil jeder, je nach Geburtstag, eine bestimmte Farbe zugeordnet bekommt.
Bei einer Einladung in ein Haus grüßt man beim Kommen den Hausgeist Phra Phum in seinem Haus mit einem respektvollen Wai. Der Gastgeber weiß dies zu schätzen und selbst kann man sicher sein, vom Geist nicht behelligt zu werden. Wer länger in einem Haus wohnt, verabschiedet sich bei einem Abschied oder vor einer größeren Reise ebenfalls mit einem Wai und bittet den Phra Phum – oder den Schutzengel – um eine sichere Reise.
Und was passiert mit dem Geisterhäuschen, wenn man in ein Haus einzieht, wo der Vorbesitzer schon eines aufgestellt hat oder mit den beschädigten? Sie kommen auf den Geisterhäuschen-Friedhof.
Alte Geisterhäuschen müssen irgendwann mal entsorgt werden, weil sie kaputt sind oder aber ein neues Haus gebaut wird. Autos oder Mopeds, die an einem solchen Platz vorbeifahren, hupen, um die Geister, die ja immer noch in den Häuschen leben, um Vergebung zu bitten. Häufig werden diese „Friedhöfe” an Orten mit hohem Unfallaufkommen angelegt. Jeder der dann dort vorbei fährt, hupt dreimal, um die Geister zu grüßen. Zusätzlich hat das noch einen Nutzen, denn automatisch senken viele Verkehrsteilnehmer ihre Geschwindigkeit und das Hupen warnt auch den Gegenverkehr.
Es sind aber nicht immer Unglücksstellen. Auch zu bestimmten Bäumen, wo Geister drinnen wohnen, werden diese alten Geisterhäuschen gebracht. Bei meiner Lieblingsradtour in die Chalong Bay komme ich immer an einem solchen Baum vorbei. Zuerst konnte ich mit der Ansammlung teils kaputter oder auch nur beschädigter Häuschen und Figuren nicht viel anfangen. Ich dachte mir schon, dass es keine der üblichen illegalen Mülldeponien ist. Alle standen oder lagen um den großen, mit bunten Tüchern geschmückten Baum herum und auf vielen standen frische Opfergaben. Also recherchierte ich und wurde bald fündig.
Wer ein Haus kauft oder in ein Haus einzieht, wo schon ein Geisterhäuschen aufgestellt ist, möchte sich vor dem Karma der Vorbesitzer schützen. Alles, also nicht nur das Geisterhäuschen wird entsorgt und durch ein neues wird gezeigt, dass man nichts mehr mit den alten Besitzern und deren Fehlern zu tun hat. Außerdem wird jeder Gegenstand, den jemand berührt, dadurch beseelt. Wenn man also gebrauchte Gegenstände berührt, läuft man Gefahr, mit den Geistern der Vorbesitzerin Berührung zu kommen und dieses Risiko will niemand eingehen.
Neuanfang bedeutet für die Thais, alles neu zu machen und deshalb verabschiedet man sich vom Geisterhaus des Vorbesitzers. Und darüber freut sich wiederum dieser prächtige Wizard, der sich nicht vor Geistern fürchtet.
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