Warum ist Thailands Jugend so gut?

Schon vor zwei, drei Jahren fragte mich Bernd Wormer, ob ich eine Antwort darauf habe, warum die thailändische Pétanque-Jugend so stark ist und warum die Spieler so gar nicht aus der Ruhe zu bringen sind. Auch letztes Jahr, als Bernd und Andrea mit ihrem Team hier in Phuket waren, um sich auf die WM vorzubereiten, sprachen wir erneut über das Thema. Ich habe versprochen, mich mit dem Thema auseinanderzusetzen und die Antworten gibt es nicht nur hier, sondern auch in der Bildergalerie.

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Erinnern wir uns, 2011 in Kemer holte Thailand Gold (Deutschland Silber) und 2013 in Montauban gleich doppelt im Tir und als Team. Herausragend damals Condo, ein Nachwuchstalent aus Phuket. Nur bei den beiden WM in Thailand, 1999 in Phuket und 2015 in Bangkog, schafften es die Thais nicht auf obere Treppchen, das besetzte in Thailand jedes mal Frankreich. Und noch etwas ist im thailändischen Team aufgefallen: es sind nicht nur Jungs, die die Medaillen holen, sondern im Team sind auch immer Mädchen. In Frankreich oder Spanien wäre so etwas undenkbar.

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Deutschland gehörte schon immer zu den Nationen, in denen auch Mädchen bei den WM dabei waren, auch schon 1999 gehörte Anna-Lena Ludwig zum Team und 2015 hat Luzia Beil auf jedem Posten überzeugt.

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Bei der Recherche zu diesem Bericht habe ich Fotos aus dem Jahre 2002 gefunden. Damals war ich schon fasziniert, von der großen Anzahl Jugendlicher auf dem Platz des PC Phuket in Saphan Hin und über den Trainingseifer. Zu jener Zeit kannte ich nur diesen Platz und fast täglich fuhren wir am Spätnachmittag dort hin. Und immer das selbe Bild: der Platz war gefüllt mit Kids, die Pétanque spielten, trainierten oder auch einfach mal Quatsch machten miteinander. Man konnte erkennen, dass sich alle wohl fühlten. Am Spielfeldrand saßen die Eltern – die meisten von ihnen spielten nicht selbst, aber sie brachten ihre Kinder zum Terrain und blieben da und schauten zu. Das war und ist  schon ein ganz wichtiger Aspekt und ein großer Unterschied zu dem, was ich in Deutschland kannte. Die Jugend wird ernst genommen und nicht nur als Lückenbüßer ins Spiel geholt, weil gerade einer fehlt. Einer der Väter, er ist Rechtsanwalt und spricht gut englisch, erklärte mir damals, dass er es für wichtig befindet, dass seine beiden Söhne hierher kommen und trainieren. Und zum Transport nahm er sich die Zeit, schaute zu und gab seine Kommentare und applaudierte bei guten Leistungen. Ich erzählte ihm von meiner Arbeit in Deutschland als Jugendwart und versprach ihm, meine Fibel über Jugendtraining als PDF zu schicken. In seiner Antwortmail teilte er mir mit, dass er leider nur die Bilder anschauen kann, deutscher Text war für ihn (natürlich) unverständlich.

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Was mir hier am meisten auffällt, bei Erwachsenen und Jugendlichen, das ist die große Spielfreude beim Pétanque. Da wird nicht x-mal der Platz abgeschritten, da werden nicht x Löcher geebnet – da wird einfach gespielt, mit Konzentration aber nicht mit Verbissenheit. Und wenn mal was schief geht, freuen sich alle darüber. Ich habe schon oft erlebt, dass Spieler, die aus Deutschland hierher kommen, damit Probleme haben. Der Deutsche steht im Kreis und der Thailänder erzählt lautstark seinem Nachbarn eine Story – der Farang blickt irritiert und böse, aber kein Thai versteht das. Bitte nicht falsch verstehen, das ist nach dem Reglement nicht OK aber es es kann helfen, sich auf sich selbst zu konzentrieren, dann, wenn es wichtig ist. Das hat etwas mit Spiel-Routine und -Sicherheit zu tun.

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Konzentration ist ein ganz großes Thema hier. Und das hat etwas mit der ganzen Lebensweise zu tun, vielleicht sogar mit dem Buddhismus. Nicht an gestern und morgen denken, ganz hier und im Augenblick sein. Die Handbewegung bei den Spielern ist so standardisiert, dass man einfach staunen muss.

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Das Beginnt bei den Thais auf einer WM bis zu den kleinen auf dem Platz in Phuket: Hand anwinkeln, ein kontrollierender Seitenblick auf Hand und Kugel, Blick nach vorne, Schwung holen und loslassen. Nichts Neues, werden viele sagen. Dann beobachtet mal eure Mitspieler und Gegner beim nächsten Turnier. Da hat jeder seinen eigenen, natürlich besten Wurfstil.

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Doch zurück zu Thema. Pétanque hat in Thailand einen ganz anderen Stellenwert als in Deutschland. Der Sport wurde offiziell vom Königshaus eingeführt, die ersten Spieler waren quasi vom Hofstaat und Beamte. Die Königinmutter spielte bis zu ihrem 83. Geburtstag selbst leidenschaftlich und zum 80. Geburtstag von König Bhumipol waren 2007 die Besten der Welt zur WM nach Pattaya eingeladen.

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Bei der WM 1999 röffnete die Schwester des Königs die Spiele. Thailand hat, nach Frankreich, die meisten Lizenzen – zumindest laut FIPJP, auch wenn ich hier noch nie eine gesehen habe.

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Ich muss natürlich meinen Bericht etwas relativieren. Ich schreibe hier von Phuket und kann nicht meine Hand ins Feuer legen, dass es überall so ist. Ich weiß allerdings, dass die Thais regelmäßig nach Pangnga, Krabi, Surathani und in die anderen Städte auf dem Festland fahren, um dort Turniere zu spielen. Ich war einmal ganz im Norden in Chiang Mai, wo 1992 die erste WM in Thailand stattfand. Dann muss da ja auch gespielt werden. Jaev und ich und ein sehr geduldiger Taxifahrer machten uns auf den Weg, einen „Petong”-Platz zu suchen. Der Fahrer fragte hier und fragte da, nach eineinhalb Stunden waren wir wirklich auf einem Platz. Die packten gerade, weil es schon spät war, ihre Kugeln ein, aber meine Frau erzählte ihnen, welche wichtige Persönlichkeiten da gerade kommen und schon waren wir eingeladen, noch zwei Runden zu spielen. Ich sage ja immer: mit drei Kugeln in der Hand kommst du gut durch jedes Land.

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Zurück nach Phuket. Hier ist Pétanque als Schulsport fest integriert. Jedes jahr im Dezember gibt es einen großen Schulsporttag im Stadion des FC Phuket. Da werden dann die Besten mit Pokalen vom Bürgermeister, bzw. jetzt von der Bürgermeisterin, geehrt. Und Pétanque ist immer mit dabei, gehört einfach dazu, nicht als Randsportart.

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Bei meinen Radtouren habe ich schon mehrere Schulen entdeckt, die im Sportunterricht die Kugeln werfen. Ich schaute kurz interessiert zu, holte meinen Fotoapparat und jedes mal wurde ich eingeladen, mitzumachen. In Saphan Hin musste ich jetzt schon einige male ein vorgesehenes Training mit Gästen umplanen, weil der Platz von Schülern belegt war. Da wird dann von den LehrerInnen wirklich Training gemacht, da werden professionelle Anweisungen gegeben.

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Auch der Club in Sphan Hin hat Trainingsgeräte auf Lager, alles selbst gebaut, einfach aber sehr effektiv. Und die Cracks aus dem Club sind sich nicht zu schade, mit und gegen die Kids zu spielen. Wenn hier Turniere stattfinden, dann beginnt das immer zuerst mit einem Jugendturnier und die Jungstars dürfen auf den besten Plätzen spielen, die Erwachsenen werden auf die Sand- und Rasenplätze geschickt.

Und noch einen Aspekt sollte man nicht vergessen. Die Jugend ist hier noch nicht ganz so übersättigt wie in Europa. Für manche andere Sportarten braucht man reiche Eltern, für andere mehr Freizeit. Und nach einem langen Schultag, der bis 17 Uhr in der Regel geht, ist Pétanque eine gute sportliche Abwechslung zu allem anderen, was in Saphan Hin geboten wird.

Im Buddhismus kennt man die edlen Wahrheiten –
für die Pétanque-Jugend in Thailand würde ich sie so formulieren:

1. Positive Gruppendynamik – gemeinsam in der Gruppe macht mehr Spaß
2. Mitmach-Effekt – wo viele spielen, entsteht Wettbewerb, die Besten setzen sich durch
3. Mentale Stärke – eine der grundlegenden Eigenschaften im Buddhismus
4. Beste Integration – die Großen akzeptieren und integrieren die Kleinen
5. Konzentration auf des Wesentliche – weniger Ablenkung und Zerstreuung
6. Trainingsfleiß – wer auf den Platz kommt trainiert zuerst allein, jung und Alt
7. Schulsportart – dadurch ist die Verbreitung gesichert, auch wenn nicht jeder spielt
8. Hohe Akzeptanz – Pétanque ist in der Gesellschaft bestens integriert (königlicher Sport)

Das ist alles viel Theorie, wenn man so schreibt. Wer sich wirklich für das Thema interessiert, möge bitte die Bildergalerie ansehen und vor allem die Kommentare dazu lesen.

Zum Schluss noch ein kleines Schmankerl. Für meinen Club in Rawai habe ich zu Jahresbeginn begonnen, eine Rangliste zu erstellen. Wir spielen jede Woche 3 Turniere, die Ergebnisse werden von mir erfasst und ausgewertet. Hier die Rangliste vom August – der Platz 4 wird eingehalten von einem Jungen, der gerade mal 12 Jahre alt ist.