Buddhistische Trauerrituale und Zeremonien

Und Jimmy ging zum Regenbogen war in den 70er Jahren ein Bestseller von Johannes Mario Simmel. 25 Wochen lang war das Buch im Jahr 1970 auf dem Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste.
Auch in unserer kleinen deutschen Boulegruppe hatten wir einen Jimmy und er ist vor kurzem, bildlich gesprochen, zum Regenbogen gegangen.
Ich habe bestimmt zwei Monate gebraucht, um herauszubekommen, dass Jimmy Deutscher war – so perfekt war sein französisch und wir unterhielten uns in der Anfangszeit nur in dieser Sprache. Aber einmal ist ihm eine Bemerkung rausgerutscht – ich schaute ihn an und fragte, woher er das Wort kenne. Da erzählte er mir, dass er Rheinländer sei, aber über 30 Jahren in Belgien lebte. Später erzählte er mir dann noch, dass er Pilot war. Und beide kannten wir natürlich Jimmy, der zum Regenbogen ging.
Ich kenne auch nicht seinen Familiennamen. Privat lebte er in seiner Welt und ich in meiner. Wenn wir uns trafen, dann bei Froggys. Jeden Mittwoch um 17 Uhr zum Boulespielen oder sonst bei anderen Anlässen zufällig.


Jimmy (links) war seit zwei Jahren auch einer der 4 Spieler des Teams Deutschland bei meinem Phuket Masters jedes Jahr im November. In diesem Team spielten außerdem Matthias, Bernd, Jaev und ich. Vor etwa drei Monaten erzählte er uns, dass er krank sei und Krebs habe. Man konnte ihm ansehen, dass es ihm schlecht ging. Er konnte noch zwei, drei mal mitspielen, dann blieb er der Mittwochsrunde fern. Er musste nicht mehr lange leiden und seine Asche ist im Meer verstreut. Nicht nur beim nächsten Regenbogen werde ich an ihn denken.
Zeitgleich zu Jimmys Tod verstarb auch ein Onkel von Jaev. Die Trauerrituale und Zeremonien im buddhistischen Thailand sind völlig anders. Da ich von Anfang an mit dabei war, habe ich mich entschlossen, mehr zum Thema zu schreiben und es ist zudem eine eindrucksvolle Bildergalerie entstanden.

Eine buddhistische Trauerfeier unterscheidet sich sehr von den Begräbnissen in Deutschland. Es gibt in Thailand keinen Friedhof in unserem Sinne, denn thailändische Buddhisten lassen sich verbrennen. Die Asche wird oft ins Meer oder einen Fluss gestreut. Manche Thais teilen die Asche in drei Teile: der größte Teil wird ins Meer gestreut, der zweite Teil kommt in das Aschenlager im Stammtempel der Familie, wo auch die Vorfahren liegen. Der dritte und kleinste Teil kommt in ein kleines Gefäss mit Deckel und wird zu Hause am Buddha-Altar aufbewahrt. In Jaevs Familie ist es Tradition, dass die Asche in eine Art Grabstein kommt. So kenne ich das jedenfalls von Ihrer Oma und ihrer Schwester.

Ein Arzt stellt den Totenschein aus, der innerhalb von 24 Stunden beim Einwohnermeldeamt vorgelegt werden muss. Die Familie bespricht, in welchem Tempel und für wie viele Tage die Trauerfeier stattfinden soll. Ein Leichenwagen holt den Toten ab und bringt ihn in den Tempel. Vor dem Einsargen wird ihr von den Familienmitgliedern und Verwandten nacheinander sauberes Wasser langsam auf die rechte Hand gegossen. Dies symbolisiert ein „Reinigen” von allen bösen Worten, Gedanken und Taten.


Der Lebende bittet den Verstorbenen um Vergebung und er selbst verzeiht dem Verstorbenen auch alles. Dies soll seine Seele beruhigen und von allen Schuldgefühlen frei machen, so dass er den letzten Weg gut gehen kann. Die Thais bemühen sich sehr um den Toten, damit er möglichst sauber, schuldfrei und mit grosser Würde zu seiner nächsten Station kommt. Zwar zerfällt der Körper nach dem Tod aber zumindest sein Name, seine Taten und Worte sollen positiv in Erinnerung bleiben.

Dann wird die Leiche eingesargt. Der Sarg ist rot oder weiss und kunstvoll verziert, dazu kommt noch der prachtvolle Blumenschmuck. Die Zeit der Aufbewahrung bis zur Verbrennung ist unterschiedlich lang, je nach Stand und Würde. Durchschnittlich beträgt das Abschiednehmen 7 Tage, bei Ärmeren, die wenig Verwandte haben, nur 5 oder 3 Tage. In dieser Zeit lebt die Familie mit dem Toten tagsüber im Tempel in einer der Salas. Freunde und Bekannte kommen vorbei, man isst und trinkt gemeinsam. Ich habe auch schon gesehen, dass da ein Fernsehgerät zur Unterhaltung steht.

Wenn ein Trauergast ankommt, überreicht er zuerst einem Familienangehörigen  einen weißen Umschlag mit Geld drin. Das Geld ist eine Opfergabe für die Mönche und für die Kosten der Totenfeier. Viele Gäste bringen auch einen Blumenkranz mit auf dem groß schwarz auf weiß der Name des Gebers vermerkt ist. Jetzt begibt sich der Trauergast zum Altar zur Statue Buddhas und opfert drei Räucherstäbchen. Danach erweist er mit einem Räucherstäbchen dem Verstorbenen vor dem Sarg seinen Respekt  und wünscht ihm für das nächste Leben alles Gute.

Jeden Abend um 19:30 Uhr versammeln sich alle zum Gebet. Die Feier wird normalerweise von 4 Mönchen geleitet. Eine Erklärung der Zahl 4 lautet: Die 4 Substanzen, aus denen der Körper besteht und die beim Tod eines Menschen wieder auseinander fallen, sind Erde, Wasser, Luft und Feuer.

Die Gebete und die Predigt dauern etwa eine Stunde. In der Predigt geht es in etwa darum, dass das Sterben eine normale Begebenheit ist. In der Natur haben alle Dinge ihren Zeitablauf. Der Mensch soll nicht zu sehr an alte Gewohnheiten hängen, nicht zu fest an sein Eigentum,
seine Ehrentitel und seinen Ruhm klammern. Der Mensch kann nicht einmal seinen Körper besitzen, denn alles an ihm zerfällt nach und nach und geht zurück in die Natur. Was dem Mensch gehört, sind die Folgen seiner Taten und Absichten, deren Wirkung wird auf ihn zurückkehren und er wird diese zu verarbeiten und verantworten haben. Buddha betont deshalb stets die Reinheit der Gedanken.

Für jeden Abend bei der Totenfeier gibt es immer einen Gastgeber (oder auch mehrere), der die Kosten des Abends übernimmt. Dazu gehören z.B. die Gebühr für Leichenaufbewahrung, Opfergaben für die Mönche, Blumendekoration, und eine leibliche Stärkung für die Trauergäste. Gastgeber am ersten Abend sind immer die Familienmitglieder und dann geht es immer eine Stufe zurück: Verwandte, Firmen bzw. Unternehmen, Kunden, Freunde und Kollegen, Nachbarn und Bekannte. Daher steht vor dem Sala, wo der Tote aufbewahrt ist, eine große Tafel, auf der die Namen der Gastgeber des jeweiligen Tages stehen und wann die Verbrennung stattfindet.

Nach den Gebeten der Mönche wird dem Toten die Seligkeit durch Wasser gespendet. Das Wasser ist in einem kleinen Krug mit langen Hals aufbewahrt. Während die Mönche in singendem Ton beten, wird das Wasser vom Gastgeber langsam in einen Behälter gegossen. Dabei richtet der
Gießende seine Gedanken an den Verstorbenen.  Wasser gilt als Träger oder Vermittler – es transportiert daher nach buddhistischem Glauben auch die menschlichen Gedanken und durch diese Zeremonie hat der Tote Anteil an den Verdiensten, die ihm durch das fließende Wasser übertragen werden. Am Schluss der Feier wird das Wasser langsam unter einen Baum ausgegossen, damit die Göttin der Erde für das Weiterleiten ans Ziel sorgt.

Am Tag der Verbrennung findet nochmals eine kurze Trauerfeier statt. Dann werden unzählige Abschiedsfotos gemacht mit dem Sarg im Hintergrund. Zunächst die Familie, dann die geschwister, die Enkel, die Verwandten usw. Dann gibte es ein letztes gemeinsames Mittagessen.

Bei Jaevs Onkel kam noch etwas besonderes hinzu. Die Verbrennung fand in einem anderen Tempel statt. Nicht jeder Tempel, den eine Familie ein Leben lang besucht, weil er am nächsten liegt oder weil man eine besondere Beziehung dazu hat, ist mit einem Krematorium ausgestattet.

Wir waren im Wat Wichit Sangkaram und mussten dann mit vielen Autos rund 800 m am Fuße des Radar Hill, Phukets markantem Hausberg mit den Radio-Antennen, nach Norden fahren zum Wat Kosit Wihan. Natürlich gehört zum Transport auch traditionelle Musik.

Im Wat Kosit Wihan trugen die jungen Soldaten den Sarg die rund 30 Stufen zum Krematorium hoch. Alle Bekannten, Verwandten und der engere Familienkreis nahmen an einer letzten Gebets- und Abschiedszeremonie gemeinsam mit den Mönchen im Versammlungsraum des Krematoriums teil. Wie in Europa auch werden dann letzte Lobreden auf die verstorbene Person gehalten.

In der Zwischenzeit war der Sarg vor der Tür der Verbrennungstempel aufgestellt. Alle gehen noch einmal am Sarg vorbei und legen eine von der Familie bereitgestellte Opfergabe nieder. Jeder erhält ein kleines Erinnerungsgeschenk, beim Onkel war es ein Amulett. Etwas ungewöhnlich und für mich wenig feierlich: der Holzsarg des Onkels hatte zu viele Schmuckelemente. Er musste erst mit einer Axt bearbeitet, sprich kleiner gemacht werden, damit er eingefahren werden konnte.

Manche Thais stellen ihren Körper der Anatomie eines Krankenhauses zur Ausbildung von Ărzten zur Verfügung. Die Medizinstudenten nennen diese Leiche dann “Acharn Yai” (der grosse Lehrmeister), weil man sich von diesem Körper durch seine Aufopferung viel Wissen aneignen kann. In solchen Fällen finden die religiösen Feiern ohne die Leiche symbolisch statt.

Alle Fotos in der Bildergalerie.