Im Herzen der Altstadt von Phuket gibt es eine kleine, unscheinbare Seitengasse, Tu Kab Khao, die die Pang Nga mit der Ranong Road verbindet. Zur Fotogalerie.
Die Riesen-Garnele ist viel besser zu sehen als das eigentliche Straßenschild. Aber ich habe die Gasse per Fahrrad gefunden und viele Eindrücke gesammelt, die mich dazu führten, mich näher mit dem Thema Amulette zu befassen.
Ein Amulett ist ein tragbarer Gegenstand, dem magische Kräfte zugeschrieben werden, die Glück bringen und vor Schaden schützen. In seiner glückbringenden Eigenschaft und meist größerer Ausführung wird es auch als Talisman bezeichnet – soweit Wikipedia.
In der Gasse sitzen die Händler in einer langen Reihe an Ständen und Tischen, auf denen jeweils Hunderte von Amuletten angeboten werden.
Dahinter gibt es auch kleine Geschäfte, die ebenfalls Amulette und Buddha-Bilder verkaufen. Mit Lupen werden die Waren geprüft, man diskutiert und fachsimpelt und wenn man mit Anbietern sprechen möchte, sind sie eher zurückhaltend. Einem Farang traut man eben nicht zu, dass er davon etwas versteht.
Aber einen habe ich doch gefunden und der Sohn sprach gut englisch und so wurden mir doch einige Fragen beantwortet. Vor allem habe ich an diesem Ort wieder mal einen schönen Einblick in das lokale Leben erhalten.
Doch zurück zum Thema. Amulette sollen Glück bringen, vor Gefahren schützen und böse Geister fern halten. Deshalb trägt fast jeder Thai zumindest ein Amulett an einer Kette um den Hals, am Arm oder um die Hüften. Diese Amulette sind wie Fetische und haben im Grunde nichts mit Buddhismus zu tun, schon gar nichts mit der Lehre Buddhas. Aber Buddhismus und Spiritismus vertragen sich ausgezeichnet miteinander und die Leute glauben an Buddha und gleichzeitig an Wunder, Geister und Amulette. Auch bei den Christen gibt es Amulette mit Abbildungen von Heiligen oder christlichen Symbolen und viele andere Devotionalien sowie die Verehrung von Heiligenbildern.
Die Amulette werden von Mönchen in Tempeln gefertigt und vertrieben, in der Regel gegen eine Spende. Die Gläubigen tragen sie dann als Glücksbringer um den Hals oder sie werden auf dem Hausaltar aufbewahrt, als Erinnerung an den Besuch im Tempel und an die Spende. Der Farang, also der Ausländer, bekommt sie in Klöstern und Tempeln allerdings nur selten angeboten. Man hat Angst, dass Touristen, die mit für die Thais heiligen Symbolen versehenen Amulette, nicht respektvoll behandeln.
Alle Amulette werden vor der Ausgabe im Tempel gesegnet. Die Segnung findet mit aufwändigen Zeremonien im Beisein vieler Gläubigen statt, die mehrere Tage dauern können. Tausende von Tempeln haben im Verlaufe ihres Bestehens eine mehr oder weniger grosse Anzahl von Amuletten herausgegeben. Das erklärt, dass es unendlich viele Amulette gibt, die sich nach Größe und Form, nach Farbe und Materialien unterscheiden. Neben Metall-, Stein- und Ton-Amuletten, gehören besonders Amulette aus heiligen Ingredienzien zu den begehrtesten Buddha-Amuletten. Ein seltenes Sammlerstück kann in Thailand bis zu 250.000 Euro kosten.
Eines haben alle Amulette gemeinsam: die jeweiligen Besitzer erwarten eine magische Kraft und versprechen sich Schutz und Hilfe. Einige schützen gegen Unfall, andere helfen gegen das Verlieren von Sachen, manche bringen einfach Glück und andere machen den Träger attraktiv für Frauen. Vor allem aber verleihen sie allgemeines Wohlbefinden und halten böse Geister fern. Sie geben dem Träger spirituelle Kräfte und helfen ihm, seine Ziele zu erreichen. Früher glaubten die Krieger, dass Amulette sie unverwundbar machen, heute hofft man vor allem auf göttlichen Schutz in Gefahr und auf Glück im Leben.
Die meisten Thailänder tragen nur ein bis drei Amulette. Aber ich habe auch schon Leute gesehen, die bis zu 20 und mehr um den Hals hängen haben. Je gefährlicher der Job ist – z. B. Lkw- und Busfahrer oder Bauarbeiter, die auf schwankenden Gerüsten arbeiten – desto mehr geben zusätzliche Amulette dem Träger ein Gefühl von Sicherheit. Vielen thailändischen Polizisten und Soldaten soll ein Amulett im Dienst wichtiger sein als eine kugelsichere Weste.
Ich kenne auch ein paar Farang, die an schweren Goldketten gut sichtbar Amulette um den Hals tragen. Diese Leute sind aber nicht besonders religiös oder schutzbedürftig, eher erkennt man an dem Gehänge, wie geltungssüchtig sie sind.
Amulette lassen sich grob in zwei Arten unterscheiden: Metall-Amulette (Kupfer, Bronze oder Messing) und Amulette aus Tonmischungen. Bei ersteren gibt es eine Vielzahl von Formen und sie sind oft einem hochverehrten Mönch gewidmet, der sich durch Taten, Lehren und Predigten verdient gemacht hat. Amulette aus Ton- oder Erdmischungen haben dagegen meist recht- oder dreieckige Grundformen. Dabei mischt man alle möglichen Produkte in die Rohmasse, um den Amuletten mehr Kraft zu verleihen. Beliebt sind Reste von zerbrochenen Buddha-Statuen oder Amuletten, gemahlene Ziegel von geheiligten Stätten. Vor dem Formen und Brennen der Amulette werden alle Zutaten gesegnet, um dem Amulett die gewünschte Kraft zu verleihen.
Wertsteigernd für ein Amulette sind Alter, Geschichte und Ruf des herstellenden Tempels und vor allem Erfolgsgeschichten, die immer wieder von Amuletten bekannt werden. Geschichten darüber, wie ein bestimmtes Amulett den Besitzer z. B. vor einem bösen Autounfall oder einem Anschlag auf sein Leben beschützt hat, erscheinen immer wieder in Zeitungen. Ein Amulett aus einer bestimmten Serie, dem schon mehrere Wunder zuzuschreiben sind, erreicht einen entsprechend hohen Preis. Wunder kosten eben mehr!
In einem Schreibwarengeschäft entdeckte ich 12 verschiedene Spezialmagazinen, die sich, wie bei uns die Magazine für Numismatiker und Philatelisten, nur mit Amuletten beschäftigen. Auch das zeigt, welchen Stellenwert Amulette in der gesellschaft haben. Man berichtet darin über Hintergründe und und Geschichten rund um bestimmte Amulette und es werden Tipps und Hinweise gegeben.
Anhand von Abbildungen kann man vergleichen und Hinweise auf Fälschungen sollen Käufer schützen. Fälscher wittern leichtes Geld, denn Liebhaber und Sammler zahlen für gute Amulette hohe Preise. Wir sind in Thailand, und der Markt ist, gerade bei Straßenhändlern, überschwemmt mit Kopien der wertvollsten Stücke. Schätzungen beziffern den Amulettmarkt in Thailand auf etwa 6 Milliarden Baht jährlich. Eigentlich müsste es ja da auch spezielle Amulette geben, die vor Fälschungen schützen.
Bei den meisten Autos und Bussen hängen ein oder mehrere Amulette über dem Innenrückspiegel. Dass eine bessere Ausbildung der Fahrer oder der Besitz einer Fahrerlaubnis oft mehr bringen würde, kann ich nur zu oft sehen. Dieses, nach dem Unfall verlassene Tuk Tuk, fotografierte ich vor ein paar Tagen auf der Chao Fah Road am Straßenrand. Ein Tuk Tuk Fahrer erzählte mir mal, als ich sein Amulett am Rückspiegel bewunderte, dass dies gut fürs Geschäft sei. „Ich trage es seit meiner Jugend. Einmal habe ich vergessen, es nach dem Duschen wieder umzuhängen und ich hatte den ganzen Tag keinen einzigen Kunden”. Ich erinnere mich übrigens noch gut, dass es in meiner Jugendzeit jährlich eine Segnung der neuen Autos gab und dass von uns kein Auto ohne geweihte Christopherus-Plakette unterwegs war.
Zum Schluss noch ein kleiner, wenn auch unvollständiger, Überblick über die verschiedenen Grundformen der Amulette und der Link zur Fotogalerie.
Phra Pitda
Dieses Amulett zeigt einen Buddha, der sich die Augen zuhält. Es soll Glück bringen und Unheil abwehren.
Phra Somdej
Diese Amoulette sind sehr selten in ihrer ursprünglichen Form und bringen Glück, sind sehr mächtig in der Umsetzung von Wünschen und ein ausgezeichneter Schutz gegen alle Übel des Lebens.
Phra Thorani
Das Amulett zeigt die Göttin „Mutter Erde” und verheißt Gesundheit und Fruchtbarkeit.
Lock Geow
Ein Amulett in Kugelform, das Schutz und Glück bringen soll. Oft sind geheime Wünsche des herstellenden Mönches enthalten.
Bia Geow
Die Form dieses Amuletts ist einer Muschel nachempfunden und enthält teilweise Quecksilber und geheiligte Substanzen. Unter diesen Amuletten gibt es viele Fälschungen, denn nur wenige Mönche können diese Form herstellen. Sie schützen vor schwarzer Magie, Phantomen und Geistern.
Takrut
Zylindrisch geformte Amulette aus Glas oder Metall, die im Innern eine aufgerollte Metallfolie enthalten, beschriftet oder graviert mit magischen Zeichen und Formeln. Sie bieten, je nach Vorgaben des Mönches, unterschiedlichen Schutz. Die beliebtesten und wertvollsten Takruts sind diejenigen, die den Trägen unverwundbar machen sollen.
Phra Kling
Diese Amulette zeigen einen Buddha und im innern befindet sich eine Perle oder kleine magische Kugel. Sie sind meist in einen transparenten Rahmen gefasst und stehen für Gesundheit und Wohlstand.
Ringe und Armbänder
Diese Amulette besitzen, je nach Herstellungsart, die unterschiedlichsten Kräfte. Besonders beliebt und gesucht sind die „Narayana”. Sie sollen unverwundbar machen und werden sowohl aus Metall oder alchemistisch hergestellt.
Lek Lai
Lek Lai ist eine im Buddhismus seit Jahrhunderten bekannte metallische Substanz, die ausschließlich von buddhistischen Mönchen aus geheimen Höhlen abgebaut wird. Lek Lai befindet sich meist auf einem Trägerstein, dem sogenannten Nest, ist grau-schwarz und metallisch schimmernd. Lek Lai verstärkt die trägereigenen Energien aber man sollte niemals versuchen, seine Kräfte zu testen.
Magische Öle und Balsame
Die magischen Balsame „Kee Phrung” sind aus geheimen Pflanzen und Mineralien und manchmal auch mit weniger edlen Stoffen gemixt. Sie werden von Thai-Zauberern hergestellt, teilweise unter Anrufung und Beschwörungen von Geistern. Es sind in der Regel leistungsfähige Mittel für die sexuelle Anziehung.
Magische Symbole als Druck oder Tattoo
Beides sind mächtige Mittel zum Schutz gegen negative Energien oder Zauberei. Es gibt Mönche, die auf solche Tattoos spezialisiert sind. Sie sind wirksamer Schutz des Hauses oder der Person.
Phalad Khik
Manche Thai Männer tragen ein Penis-Amulett als Glücksbringer. Es wird an einer Schnur um die Hüfte getragen, jedoch niemals parallel zum eigenen Geschlecht. Der Palad Khik absorbiert alle magischen Verletzungen der Geschlechtsorgane. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Mann mehrere Penisse um seine Hüfte herum trägt, denn man glaubt, dass jeder Penis eine andere Wirkung hat: gegen Krankheiten, für das Glücksspiel, um mehr Chancen beim weiblichen Geschlecht zu haben und sogar um unverwundbar zu sein. Frauen tragen einen Phalad Khik meistens in der Tasche zum Schutz gegen Vergewaltigung und gegen Handtaschendiebstahl.
Yantra-Tuch
Dieses Tuch ist auch eine Art Amulett und soll seinem Besitzer starke Anziehungskraft auf das andere Geschlecht verleihen, die Liebe stärken, jedem Liebhaber mehr erotische Gefühle bringen. Das Amulett-Tuch kann zu Hause aufgehängt werden oder gefaltet in der Tasche mitgetragen werden.
Buddha-Amulette aus Thailand gehören zu den schönsten und Variantenreichsten der Welt. Man schätzt, dass allein in den letzten 100 Jahren mehr als 100.000 unterschiedliche Buddha-Amulette von thailändischen Mönchen erschaffen wurden. Für alle, die an die Kraft der Amulette glauben, ist trotzdem Vorsicht geboten bei ihrer Verwendung. Man muss die Grundregeln respektieren: nicht töten, nicht stehlen, nicht zu lügen, keinen Ehebruch begehen und kein Missbrauch von Rauschmitteln. Wer sich an diese Vorschriften im Leben hält, wird viele Vorteile haben und ein glückliches Leben – unterstützt von himmlischen Wesen und den Göttern, die immer bereit sind, zu helfen.