Letzte Woche hat das neue Schuljahr begonnen, das in Thailand ist in zwei Semester eingeteilt ist. Für Grund- und Sekundarschulen beginnt das Schuljahr um den 15. Mai und endet im März des folgenden Jahres. Zwischen den Semestern sind im September zwei- bis dreiwöchige Ferien. Die lange schulfreie Zeit im Sommer von Ende März bis 15. Mai korrespondiert mit der heißen Jahreszeit und dem jährlichen Wasserfest Songkran Mitte April, dem thailändischen Neujahrsfest. Das Thema Schule kann ich leider nur von außen betrachten. Vieles habe ich aber durch Jeavs Sohn selbst miterlebt und zu sehen bekommen.
Noch bis Anfang des 19. Jahrhunderts spielte Bildung in Thailand eher eine untergeordnete Rolle, die in den Zuständigkeitsbereich der Mönche fiel. In den Tempelschulen wurde von den Mönchen an die männliche Jugend eine eher einfache Grundausbildung weitergegeben, den Mädchen wurde meist sogar diese vorenthalten. Kinder wohlhabender bzw. adeliger Familien erhielten dagegen eine bessere Ausbildung, um später im Staatsdienst oder am Königshof tätig sein zu können.
Eine entscheidender Beitrag zur Verbesserung dieses System wurde von König Nang Klao (Rama III./1824-1851) durch die Errichtung der ersten freien Universität in Bangkok in die Wege geleitet.
König Maha Chulalongkorn (Rama V./1868-1910) war westlichem Gedankengut sehr aufgeschlossen und daran interessiert, umfangreiche Verwaltungsreformen durchzuführen. Dazu brauchte er kompetentes Personal, weshalb weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Bildung umgesetzt wurden. Er führte ein westlich orientiertes System ein, das zwischen beruflicher und akademischer Ausbildung unterschied.
1920 wurden unter König Vajiravudh (Rama VI./1910-1925) erstmalig landesweit vier Grundschul-Pflichtjahren eingeführt sowie wahlweise eine ergänzende achtjährige Sekundarstufe.
Bei der Reform Ende der 1970er Jahre wurden die Grundschul-Pflichtjahre von vier auf sechs erhöht, die Sekundarstufe verkürzt und geteilt in eine dreijährige untere Sekundar- und eine dreijährige obere Sekundarstufe. Letztere ist die Vorbereitung zu einem anschließenden Studium. Anfang der 1990er wurden die drei Jahre untere Sekundarstufe ebenfalls als Pflichtjahre an die sechs Jahre Grundschule angebunden. Aktuell ist die Schulpflicht also insgesamt 9 Jahre.
Mit 3 Jahren beginnt für die Kleinen, zumindest in den Städten, die ganztägige Vorschule (Annubaan). Am Anfang darf noch viel gespielt werden, aber auch das lernen von Disziplin ist wichtig. Ab 4 Jahren bekommen alle Kinder Gelegenheit, eine Stunde pro Woche bei einer Lehrerin den Computer zu gebrauchen (spielen, zeichnen usw.). Seit dem Herbst 2012 werden alle Erstklässler an staatlichen Schulen mit Tablet-PC ausgestattet.
Bei der Schulausbildung gibt es vier Phasen:
• Prathom 1-3 (Alter: 6 bis 8), Schulpflicht
• Prathom 4-6 (Alter: 9 bis 11), Schulpflicht
• Matthayom 1-3 (Alter: 12 bis 14), Schulpflicht
• Matthayom 4-6 (Alter: 15 bis 17), aufgeteilt in einen akademischen und einen berufsbildenden Zweig
Schüler, die den akademischen Zweig wählen, setzen ihren Bildungsweg üblicherweise an der Universität fort. Berufsbildende Schulen bieten Programme an, die die Schüler auf die Arbeit oder für weiterführende Studien vorbereiten. Der Zugang zu Matthayom 4-6 erfolgt über die erfolgreiche Ablegung eines Examens. Nach jeder Phase müssen die Schüler den nationalen Ausbildungstest bestehen, um in die nächste Phase übergehen zu können. Ab Matthayom 4 können die Schüler ein oder zwei Wahlfächer belegen. Am populärsten sind heutzutage die Naturwissenschaften und die Mathematik. Daneben werden auch weitere Fremdsprachen und Vertiefung der Sozialkunde angeboten.
Öffentliche Schulen werden durch die thailändische Regierung unterhalten. Klöster sind eine wichtige Alternative zum öffentlichen Schulsystem. Der private Schulsektor besteht aus profitorientierten Privatschulen und beitragspflichtigen nicht-profitorientierten Schulen, die meist von Wohltätigkeitsorganisationen unterhalten werden. Der Unterricht beginnt in den meisten Schulen gegen 8:00 Uhr und endet etwa gegen 15:30 Uhr. Dazwischen gibt es eine ca. 60 minütige Mittagspause, in der die Kinder auch ein kostenpflichtiges Essen erhalten.
Auch die Schuluniformen sowie die Sport- und Pfadfinderkleidung muss selbst angeschafft und bezahlt werden. Dazu kommen Fahrtkosten, Bücher, Hefte … nicht alle Thaifamilien können diese Kosten problemlos aufbringen.
Nach wie vor spielt Nationalismus an Thailands Schulen eine wichtige Rolle: Fahne hissen, zur Nationalhymne antreten, Schuluniformen, Pfadfindertum, autoritäre Lehrmethoden bestimmen den Schulalltag.
Kritisches, eigenständiges Denken steht häufig im Wiederspruch zu den eher konservativen Lehrmethoden – und ist daher nicht selten unerwünscht. Trotzdem liegt die von der UNESCO ermittelte Analphabetenrate bei etwa 3 Prozent und das ist europäisches Durchschnitts-Niveau. Unterrichtet werden Thai, Mathematik, Naturwissenschaften, Sozialkunde, Gesundheit und Sport, Kunst und Musik, Technologie und Fremdsprachen.
Das Tragen von schulischen Uniformen ist für alle Schüler und die meisten Angestellten und Lehrer Vorschrift. Jungen tragen typischerweise weisse kurzarmige Hemden mit offenem Kragen und knielange dunkelblaue, braune oder schwarze Hosen sowie lange Strümpfe und braune oder schwarze Turnschuhe. Mädchen tragen eine weiße Bluse, knielange dunkelblaue oder schwarze Röcke, kurze weiße Socken und schwarze Halbschuhe. Oft sind die Namen der Schule auf dem Hemd oder auf der Bluse aufgenäht.
Das thailändische Universitätssystem ist am US-amerikanischen orientiert. Es gibt Bachelor- und Master-Studiengänge sowie Postgraduate-Programme. Die meisten Bachelor-Studiengänge fordern vier Jahre Studium bei voller Anwesenheit. Ausnahmen bilden Pharmazie und Architektur mit fünf, sowie Zahnmedizin, Medizin und Tierheilkunde mit sechs Jahren.
Die Masterstudiengänge dauern ein oder zwei Jahre. Zum Abschluss ist die Fertigung einer Abschlussarbeit oder eines Schlussexamens notwendig. Nach dem Master-Abschluss können sich die Studenten für ein zwei- bis fünfjähriges doktorales Programm bewerben. Es besteht aus Kursen, Forschung und dem erfolgreichen Anfertigen der Dissertation.
Wer mehr Insider-Wissen möchte, dem empfehle ich die Seite von von Günther Ruffert: http://www.baanthai.com/magazin/schule.asp