Hochzeit auf thailändisch

Bom, so heißt der Neffe von Jaev, hat am 23. 12. geheiratet. Für ihn ist Jaev seine Mae, seine Mutter, denn sie hat ihn quasi aufgezogen. Jetzt hat er geheiratet und da war es natürlich klar, dass seine Mae dabei sein muss. Seine Frau kommt aus der Nähe von Ayutthaya. Die Stadt liegt in der Zentralregion, rund 80 km ördlich von Bangkok. Die große Bildergalerie gibt es hier.
Ayutthaya war von 1351 bis 1767 Hauptstadt des siamesischen Königreichs und im 18. Jahrhundert die wichtigste Metropole des südostasiatischen Festlands. Die Ruinen der 1767 nach einem Siamesisch-Birmanischen Krieg zerstörten und aufgegebenen Altstadt sind heute als Geschichtspark Ayutthaya geschützt, gehören zum UNESCO-Welterbe und sind wichtigste Sehenswürdigkeit der Stadt. Darüber später mehr in einem extra Bericht.


Jaev, ihr Bruder Go und ich flogen vor Sonnenaufgang nach Bangkok. Dort holte uns der Bräutigam ab. Die Hochzeit fand im Elternhaus der Braut statt, einem großen Bauernhaus inmitten von Reisfeldern. Der ortsüblichen Bauweise entsprechend, stehen alle Gabäude auf Pfählen, das schütz vor Ungeziefer und Hochwasser.


Wir besuchten, nachdem wir unsere Koffer im Zimmer im Resort verstaut hatten, als erstes die Familie. Da wurde von den Frauen Essen vorbereitet, von den Männern Stromleitungen verlegt und Leuchtröhren befestigt – überall herrschte reges Treiben. Trotzdem nahm man sich Zeit für uns und servierte eine kleine Stärkung, sozusagen als zweites Frühstück.

Ich nutzte die Zeit für eine erste Fotosafari rund um den Hof. Die Reisfelder waren gerade abgerntet, einige standen unter Wasser. Das lockte hunderte von Reihern an. Ich entdeckte viele Vogelarten, die ich von Phuket nicht kannte und auf dem Weg zwischen den Feldern begegnete ich einer Schildkröte.
Am Tag der Hochzeit, sollten wir um 4 Uhr abgeholt werden. Aber die Frau, die die Braut schön herrichten sollte, kam nicht und so musste der Bräutigam für Ersatz sorgen. Wir wurden erst um 5:30 Uhr abgeholt, hätten noch zwei Stunden schlafen können.

Es war noch stockdunkel, bunte Neonröhren erleuchteten die beiden großen Zelte vor dem Haus. Das Geisterhäuschen war schön geschmückt, mit vielen Essensgaben, Kerzen, Blumen, Räucherstäbchen. Schon wieder waren viele Frauen mit der Zubereitung von Speisen beschäftigt. Bom holte Jaev in Haus, sie sollte ihm bei der Kleidung helfen.

Im Osten über den Reisfeldern deutete ein schmaler roter Streifen am Himmel den Sonnenaufgang an. Ich habe später das erste Hochzeitsritual nochmals kurz verlassen, um den roten Feuerball uber den Reisfeldern im Bild  festzuhalten.
Ich muss vorneweg sagen, die Hochzeit hat mich sehr beeindruckt wegen der vielen Rituale. Nicht alle und nicht alles habe ich verstanden, aber ich versuche einfach der Reihe nach den Tag zu beschreiben. Jaev kam aufgeregt nach draußen und holte mich ins Haus.


Die Dekoration
In Thailand ist es üblich, dass die paare schon einige Zeit vor der Hochzeit, die professionellen Hochzeitsfotos zu machen. In Phuket kenne ich die Orte, die die Fotografen und die Paare lieben: die Altstadt, Wat Chalong, Lem Prom Thep. Diesen Fotos, die teils in Phuket und teils in Ayutthaya entstanden, dienten überall im und am Haus zur festlichen Dekoration – mal auf einer Staffelei mit Blumenschmuck am Hoftor, als Foto-Kette am Haus entlang, am Hauseingang als Blickfang und im Zelt hinter der Bühne hing ein großes Poster.

Die Ringe
Das Wohnzimmer war völlig leer geräumt und Decke und Wände mit bunten Tüchern dekoriert. Die Stirnwand war ganz in blau-weiß dekoriert. Vor dem weißen Vorhang, auf dem in Goldlettern die Namen der beiden Brautleute und das Datum standen, waren zwei goldene Sitzbänke und diverse kleinere Tischchen aufgebaut. Überall Blumen, eine Symphonie in Blau, Weiß und Gold. Im großen Raum daneben an der Wand entlang 9 goldene Sitzgelegenheiten für die Mönche und ein Hausaltar mit goldener Buddha-Statue.
Auf dem Boden saßen sich Braut und Bräutigam gegenüber, flankiert von den Eltern und einem Mann und einer Frau. Diese beiden hatten im laufe des Tages noch viel Funktionen als Zeremonienmeister. Links von der Braut zwei schmucke Brautjungfern und ein junger Mann. In der Mitte ein Goldgefäß, noch verhüllt mit einem rosa Tuch. Die Frau entfernte den Stoff und zum Vorschein kam ein weißes Herz, rosa eingefasst, mit vielen Perlen, Blumen, Girlanden dekoriert. In einem zweiten Gefäß waren der Brautschmuck und die Ringe. Der Mann, den man auch als Laienmönch bezeichnen könnte, betete, segnete den Schmuck und übergab Bom. Der steckte zunächst seiner Zukünftigen den Ring an den Finger und legte ihr anschließend den Schmuck um. Mit einer tiefen, gegenseitigen Verneigung endete dieses erste Ritual.


Die Mönche
Zur gleichen Zeit betraten die Mönche den Raum, alle mit ihrem Talpot in der Hand, und nahmen auf ihren Sitzen Platz. Der Zeremonienmeister führte das Paar vor den Hausaltar zu einem kurzen Gebet. Dann übernahmen die Mönche. Zuerst wurde eine Schnur gespannt von der Buddhastatue bis zum Mönch ganz rechts. Über diese Schnur, die bei vielen buddhistischen Ritualen eine große Rolle spielt, sind alle miteinander und mit Buddha verbunden. Die weitere Zeremonie dauerte über eine Stunde. Die Mönche sprachen gemeinsam ihre Gebete, für Europäer klingt das sehr fremd. Ich habe mich in der zwischenzeit schon an diesen Sprechgesang gewöhnt, der sehr feierlich, würdig und irgendwie beruhigend wirkt. An ganz bestimmten Stellen wurde von einem zweiten Laienhelfer der Gong geschlagen. Die Eltern und nächsten Verwandten saßen den Mönchen gegenüber, viele weitere Hochzeitsgäste im hinteren Teil des Raumes. Der wohl ranghöchste Mönch segnete schließlich das Brautpaar, das dazu die Hände ineinander legte.
Dann wurde das Essen für die Mönche hereingetragen, vor jedem Mönch stand ein großes Tablett. Es waren die Speisen, die von den Frauen am Tag zuvor und in der Früher zubereitet wurden. Den Reis, der ja wichtigster Bestandteil des thailändischen Essen ist, wurde den Mönchen vom Brautpaar und den Eltern serviert.


Die Mönche ließen es sich schmecken und alle anderen saßen im Raum und schauten zu.
Dann wurden die Neuvermählten von weiteren 5 Brautjungfern in ihr Zimmer geführt. Den tieferen Sinn dieser Zeremonie habe ich leider nicht verstanden. Für mich die Gelegenheit, zu einem schönen Gruppenfoto.


Nachdem die Mönche auch den Nachtisch zu sich genommen hatten, nahm das Brautpaar wieder auf seinen Sitzkissen Platz. Die Mönche nahmen ihre Talipot in die Hand. Diese zepterartigen Insignien werden bei rituellen Handlungen von den Mönchen benutzt. Noch einmal wurde das Paar gesegnet – andächtig knieten die beiden vor den Mönchen. Eine letzte, dreimalige tiefe Verneigung und das Trauungsritual der Mönche war beendet. Sie erhielten alle noch ein kleines Geschenk, erhoben sich und machten sich in ihrem Bus wieder auf den Weg zurück ins Kloster.
Dabei sah ich auch, wie das bestellte „Catering-Unternehmen” das Essen für die Hochzeitsgäste zubereitete.


Hochzeitsfotos
Es war an der Zeit nach draußen zu gehen, sich etwas zu bewegen. Vor allem gönnte ich das dem Brautpaar. Aber die hatten keine Ruhe. Die beiden engagierten Fotografen wollte Fotos machen, vom Paar allein, mit den Eltern, mit der blauweißen Helferschar.
Die Geld-Prozession


Ich bemerkte, wie fleißige Helfer viele schön verpackte Dinge aus dem Haus trugen. Etwa 50 Meter vom Hoftor entfernt waren auf dem Feldweg rote Teppiche ausgebreitet. Die Frau, die schon beim ersten Ritual heute früh dabei war, führte das Kommando. X-Mal wurden die Teller, Pokale, Geschenke umgestellt, bis alles stimmte. Dann holte sie einen großen Pokal, setzte sich auf den Teppich und Bom überreichte ihr einen geheimnisvollen Koffer.

Sie öffnete ihn vorsichtig, er war gefüllt mit Banknoten. Jetzt verstand ich. Der Bräutigam muss in Thailand die Braut bei den Eltern freikaufen. Immerhin nimmt er ein Mädchen, ein für die spätere Versorgung der Eltern wichtiges Familinmitglied, weg. Das Geld wird verpackt, mit Tuch umhüllt und dann und die Prozession nimmt Aufstellung. Die Frau bespritzt alle Trägerinnen und Träger mit (Weih)Wasser. Und dann geht’s los, vorne der Bräutigam mit Eltern und dann alle, die etwas zu tragen hatten – über 50 Personen.


Aber am Hoftor war erstmal Schluss, hier wurde abgesperrt und erst ein paar Geldscheine von Boms Vater machten den Weg frei. Zwei Meter weiter die nächste Sperre, die Frauen tanzten und der Bräutigam strahlte. Auch hier erlaubten ein paar Geldschein das Weitergehen bis zur nächsten, übernächsten und letzten fünften Station. Die Braut beobachtete alles aus dem Fenster und amüsierte sich köstlich.


Im großen Wohnraum angekommen, nahm die Familie des Bräutigams da Platz, wo vorher die Mönche saßen. Alle Geschenke wurden so aufgestellt, dass in der Mitte eine schmale Gasse von der Tür bis zum Hausaltar führte. Dann musste eine Frau sämtliche Fähnchen von den Geschenken entfernen und weitere 4 Frauen sammelten alles ein, auf Tabletts oder in großen Töpfen. Wer das war, warum gerade sie, was mit den Lebensmitteln passierte konnte mr niemand sagen- Meine Frau war ja als Mama des Bräutigams den ganzen Tag eingespannt.


Die gekaufte Braut
Eine der Brautjungfern führte dann Bom ins Zimmer der Braut. Er nahm ihre Hände, strahlte sie an und sie ging mit ihm. Da saßen sie nun wieder alle im halbrund wie am frühen Morgen, hier Phuket – da Ayutthaya und in der Mitte die beiden Zeremonienmeister. Das Geld wurde ausgepackt – ich habe mal auf den Fotos nachgezählt, es waren rund 300.000 Baht – und auf dem Silbertablett den Brauteltern übergeben. Aber damit noch nicht genug, die mama, der papa und einige verwandte legten noch ein paar Tausender obendrauf, garniert mit Blütenblättern. In Thailand muss alles immer schön aussehen und gut riechen. Dass Geld nicht stinkt, ist hier noch nicht angekommen. Wieder tiefe, dreifache Verneigung vor den Eltern, die „Hexe” (so habe ich in der Zwischenzeit die Zeremonienmeisterin getauft) packte Geld und Blumen in ein rotgoldenes Tuch, überreichte es der Mama, die lachend und mit dem Applaus der Anwesenden damit verschwand. Wie überall auf der Welt, haben beim Geld die Frauen das Sagen!


Das Kerzen-Ritual
Jetzt hatte der zweit Laienmönch endlich seinen großen Auftritt, bisher durfte er ja nur den Gong schlagen. Über 10 Minuten redete er ununterbrochen, mit viel Gestik und Euphorie. Dann überreichte er dem Paar Räucherstäbchen, danach eine brennende Kerze, mit der das Paar die vor ihnen stehenden beiden Kerzen gemeinsam anzündeten. Die Flamme der Liebe möge ewig brennen.


Das Wasser-Ritual
Jetzt hatte wieder der zweite Chef das Sagen. Das paar setzte sich vor die aufgebaute „Fotowand”, flankiert von Freunden. Der Chef bemalte die Stirn der beiden mit mystischen Symbolen. Ich habe so etwas schon einmal bei einer Haussegnung gesehen und bei einer Mopedweihe. Dass dazu auch wieder viel erzählt wurde, ist normal hier. Eine der Brautjungfern brachte Blumengirlanden und drei auserwählte Personen durften damit das Paar behängen.
Der Chef verband das Paar mit einem Blumenkranz und einer Schnur – jeder sah jetzt, dass die beiden zusammen gehörten. Dann, und das war ein sehr schönes Ritual, begossen zunächst die Eltern und dann alle verwandten die Hände der beiden mit Wasser aus einer Muschel. Ein letztes Mal legte er die Hand auf das Haupt des Paares und sprach Segensworte. Er übergab Bom ein dickes Glücksarmband, das dieser seiner Frau anlegen musste. Die Eltern wurden herbeigerufen, die symbolisch das paar in ihre jeweilige Familie aufnahmen, indem sie ihnen die Hand auf die Schulter legten.


Glücksarmbändchen
Diese Glücksbringer sind in Thailand ein Muss. In jedem Kloster sitzt ein Mönch, der sie, gegen Bares, am Handgelenk mit Segensworten anbringt. Das war jetzt wieder Sache von Chef 2. Zuerst waren wieder die Eltern an der Reihe, dann alle Verwandten, die bei der Zeremonie anwesend waren. Als Dank erhielt jeder von dem Brautpaar ein kleines Geschenk.


Mittagessen
In der Zwischenzeit war es fast 11 Uhr, Hunger machte sich nach 5 Stunden Hochzeitsritualen langsam aber sicher bemerkbar. Die Tische in den beiden Festzelten waren festlich gedeckt und dann wurde ein gang nach dem anderen aufgetragen. Auf den tischen war kaum noch Platz für die vielen Platten: Vorspeisen im Stil von Sushi, gegrillte Hähnchenteile, Feuertopf, Pilzragout, gebratener Reis, Schweinshaxe, Gemüseplatte, Garnelen, Fisch en gros, Dessert – und sicher habe ich noch einiges vergessen.


Aber das Brautpaar konnte immer noch nicht zur Ruhe kommen. Chef 1 rief sie auf die Bühne, wieder mit Eltern, und wieder wurden sie von drei Personen mit Blumengirlanden behängt und durften/mussten ein paar Worte an die Gäste richten. Dann zogen die beiden von Tisch zu Tisch, diesmal begleitet vom Brautvater, und übergaben an alle, die drinnen noch nichts erhalten hatten ein Geschenk. Im Gegenzug wechselten Geldbriefe die Besitzer. Es gibt hier keine Hochzeitsgeschenke, nur Bares zählt.


Der Rest
Natürlich wurde das Essen auch lautstark beschallt. Eine vierköpfige Truppe sorgte mit Karaoke-Auftritten für Stimmung. Als alle Gäste sich gesättigt fühlten, standen sie reihum auf und verabschiedeten sich. Gemeinsam feiern, wie wir es bei einer Hochzeit oder einem Familienfest kenne, ist hier nicht. Essen ist wichtig – und dann gehen. Ich kenne auch kaum ein Lokal, in dem man mit Freunden nach dem essen noch gemütlich sitzen kann um sich zu unterhalten, Es gibt hier zwar das beste Essen, aber keine Esskultur. Jaev hat geholfen, in der Festrobe, beim abräumen. Ich habe mich an den Männertisch gesetzt – zu einem Thai-Whisky.


Das Gute-Nacht-Ritual
Am Abend wurden wir nochmals zu einem kleineren Ritual gerufen. Wir, das waren nur das Paar, die Eltern, die beiden Schwestern und der kleine Bruder der Braut. Chef 1 und eine neu hinzugekommene Frau nahmen das Brautpaar unter ihre Fittiche. Vor dem Hausaltar wurde den beiden (wahrscheinlich) erklärt, wie sie sich ab jetzt zu verhalten haben. Die vier waren jedenfalls sehr ernst bei dem Gespräch.
Es war längst dunkel, als wir wieder in unserem Resort ankamen. Es war ein langer Tag, angefüllt mit vielen Neuem und Unbekanntem. Viele Bilder dazu mit weiteren Erklärungen gibt es hier.

Ich habe mich im Laufe des Tages oft an unsere Hochzeit in Phuket 2004 erinnert. Da waren zwar weniger Rituale aber, ich bilde mir ein, die Hochzeit war familiärer.