Vegetarisches Festival 2019 in Phuket

9 Tage lang war Phuket im Ausnahmezustand, die meisten Menschen ganz in weiß gekleidet, unter Dauerbeschuss von Krachern, Böllern, Feuerwerk – es war die Zeit des Vegetarian Festival.

Die Stadt wird geschmückt, alle wichtigen Plätze sind fein herausgeputzt.

Die chnesischstämmigen Familien stellen vor ihren Häusern Tische oder Altäre auf mit Statuen der Hausgötter und viel Essbarem für die vorbeziehenden Medien – so werden die „Erleuchteten” oder Gotteskrieger genannt. Zigtausend gelbe Fahnen mit roten chinesischen Schriftzeichen stehen am Straßenrand. Nachts erhellen die roten Lampions die Straßen und Plätze. An den großen Shrines, so werden die chinesischen Tempel genannt, wurde im Vorfeld mit Hochdruck gearbeitet, um alles auf Hochglanz zu bringen.

Ganze Zeltstädte wurden bei den Tempeln angelegt, um die Gläubigen 9 Tage lang mit speziellem vegetarischem Essen zu verköstigen. LKW-Ladungen an Kürbisse und aller Sorten von Gemüse wurden von fleißigen Helfern in schmackhafte Gerichte verwandelt.

Die Ursprünge des Vegetarian Festival liegen fast 200 Jahre zurück. 
Im Jahr 1825 brach unter den chinesischen Arbeitern in den Zinngruben in Kathu ein geheimnisvolles Fieber aus.  Auch die umliegenden Dörfer und eine chinesische Operntruppe, die zur Unterhaltung der Bergarbeiter auf Besuch war, wurden befallen.
Der Verantwortliche der Truppe beschloss ein 9-tägiges Fastenritual mit vegetarischer Ernährung. Nach neun Tagen war die Krankheit wie weggeblasen. Die Bevölkerung war fasziniert und die Chinesen klärten die Anwohner auf, erzählten ihnen von den Heilkräften ihrer vegetarischen Ernährungsweise.
Einer der Künstler kehrte nach China zurück, um heilige Statuen, Objekte und medizinische Schriften zu holen. Nach nur einem Jahr kam er zurück und landete am 7. Tag des neunten Mondmonats mit seinem Schiff in Phuket. Er brachte Bücher, Statuen und Talismane, magische Formeln und ein Schild für den Eingang des chinesischen Tempels. Die Menschen aus Kathu geleiteten ihn in einer Prozession zurück nach Kathu – das Phuket Vegetarian Festival oder „Neun Glücksgötter Festival” war geboren.


Das Festival beginnt mit der Erstellung des bis zu 10 Meter hohen „großen Pfahls” mit den 9 Laternen – damit die Götter vom Himmel herabsteigen können. Weitere Rituale sind die Speisung der himmlischen Krieger. und das Singen von taoistischen Canons zweimal am Tag in den Tempeln. Es folgt die Versöhnung der sieben Sterne. Der Große Wagen hat zwei unsichtbare und sieben sichtbaren Sterne, die mit dem Ritual besänftigt werden sollen. Die Medien verteilen Glücksbringer an ihre Anhänger, um böse Geister abzuwehren. Knallkörper werden in Unmengen gezündet um die 9 Glücksgötter zu begrüßen und um die bösen Geister abzuwehren.


Das wohl wichtigste Ereignis des Vegetarier Festivals ist die Prozession – siehe Bildergalerie. Sie beginnt im Jui Tui Shrine (unweit Alter Markt) und führt über Ratsada Road und Phuket Road zum großen Kreisverkehr und weiter nach Saphan Hin (ehemals der Hafen von Phuket) zum Kua Tian Keng Shrine. Schulkinder tragen die Fahne mit dem Namen der Shrines und der Götter in chinesischen Schriftzeichen. Begleitet werden sie von vielen Musik-Gruppen mit Schellen und Trommeln. Je lauter je besser!


In diesem Jahr dauerte die Prozession über 3 Stunden, in denen Tausende von Medien in kleinen Gruppen vorbeikommen. Die Männer und Frauen tragen eine schürzenähnliche Kleidung in bunten Farben, mit viel Gold und Schmuck und anderem Zierrat. Mit ihrer Fahne bedecken sie den Kopf von Gläubigen und schlagen sie mit ihrer Seilpeitsche dreimal auf den Boden. Beide Rituale schützen vor Unheil.


Viele sind in Trance, einige stoßen schrille Laute aus, andere gehen mit rhythmischen Schritten oder tanzend den Weg. Viele Frauen tragen prächtige Gewänder und kommen mit den gleichen typischen Handbewegungen wie Guanyin daher. Sie ist eine der am meisten verehrten Figuren des ostasiatischen Buddhismus, eine der wenigen weiblichen Götter der insgesamt 36.000 chinesischen Götter und Gottheiten, die die Menschen schützen und behüten.


Der Umzug ist nichts für schwache Nerven, wie in der großen Bildergalerie zu sehen ist.

Viele Thai-Chinesen piercen ihre ganzen Körper mit Metallhaken oder Messern

und allen erdenklichen Materialien.

Diese Praktiken sind heilige Rituale. Sie sollen Körper und Seele reinigen und von bösen Geistern befreien.


Dass nicht alle von bösen Geistern geschützt sind, konnte ich mehrfach fotografieren. Da müssen Helfer mit Papier- oder Stofftaschentüchern blutigen Speichel entfernen oder Desinfektionen erneuern. Einer bekam eine Flüssigkeit mit einer Spritze in den Mund gespritzt. In diesem Jahr ist mir besonders aufgefallen, dass immer mehr Frauen, vor allem auch sehr junge, sich diese Schmerzen antun.


Wenn es immer lauter wird und der Gestank von abgebrannter Pyrotechnik die Nase reizt, kündigt sich der Höhepunkt an: Die Sänften mit den Statuen der Götter. Sie befinden sich im Zentrum der Prozession, aufgereiht nach der himmlischen Hierarchie. Die Zuschauer bewerfen die mitgetragenen Statuen und die Träger auf der ganzen Strecke mit Knallkörpern. Dass da nichts schlimmes passiert, ist mir jedes Jahr ein neues Rätsel.
Auf gut 500 m sind nur Qualm und Lichtblitze zu sehen. Aus dem Grau erscheinen immer neue abenteuerlich aussehende Gruppen – mal vermummt mal, mit bloßem Oberkörper, mal mit einem feuchten Handtuch über dem Kopf.


Und in dem ganzen Tohuawobu tauchen immer wieder Medien auf, gepierct mit allem, was nur scharf oder spitz ist. Sie gehen seelenruhig durch die Knallkörper, die um sie herum explodieren.
Dann wird es wieder etwas ruhiger. Der zeremonielle Schirm, das Buch der neun Glücksgötter und die Weihrauch-Urne werden durch die Menge getragen.

Mittendrin zur Abwechslung auch mal die Polizei.

Wenn dann die mit Blumen über und über geschmückten Autos erscheinen, kündigt sich das Ende der Prozession an. Auf den Ladeflächen der Pick Up sitzen auch wieder Medien, die die Prozession zu Fuß nicht mehr schaffen. Sie und ihre Helfer verteilen von oben herab Geschenke an die Gläubigen: Glücksarmbänder, Obst, Süßigkeiten, glücksbringende Schriftzeichen auf Stoff oder Papier, Blumen und kleine Sträuße u.v.a.m.

Noch während die Prozession auf zwei der vier Spuren sich den Weg durch die Zuschauer bahnen muss, starten auf der Gegenbahn die ungeduldigen Mopeds und wenig später kommen auch die Autos.

Dann setzt auch gleich die Reinigung ein und das Aufsammeln der leeren Plastikflaschen, die auf und neben der Straße liegen.


Aber es gibt noch weitere spektakuläre Rituale. Das Feuer-Walking Ritual z.B. am sechsten Tag vertreibt Verunreinigungen und bösen Einfluss. Die Männer reinigen sich selbst mit Feuer, indem sie über glühende Kohlen gehen. Wer schon rein ist, wird vor ernsthaften Verbrennungen verschont! Schwer zu verstehen ist auch das Erklimmen der Leiter durch die Medien, denn an Stelle von Sprossen sind hier scharfe Messer.


Am letzten Abend des Festivals kann jedermann an der „Überquerung der Brücke” teilnehmen. Durch die Überquerung der Brücke werden die Gläubigen von Sünden und Unglück gereinigt. Damit dies auch jeder sehen kann, erhält man auf der anderen Seite der Brücke einen schwarzen oder roten Stempel (Glücksgott-Siegel) auf den Rücken des weißen Shirts.


Das Vegetarische Festival endet mit einem Abschiedsritual für den Jade-Gott und die neun Glücksgötter. Um Mitternacht werden sie zurück in den Himmel geschickt. Dabei werden jede Menge Papier, Papiergeld und Papierkostüme und Statussymbole aus Papier verbrannt.
Das Vegetarier Festival findet heutzutage an vielen verschiedenen Orten in Thailand statt, aber Phuket hat die spektakulärste Prozession. Jetzt verschwinden die weißen Klamotten wieder für ein Jahr im Schrank bis zum 7. Tag im 9. Monat – und das ist der 16. Oktober 2020.

Bildergalerie